von Dorothea Brozek, WAG, 2004-09
Gesetzliche und finanzielle Grundlage
Die gesetzliche Grundlage für Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz (PAA) bilden die Sonderrichtlinien zur Förderung der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz, die seit 1. Jänner 2004 in Kraft sind. Ihr Ziel ist es, eine qualitative ebenso wie quantitative Steigerung der Teilhabe von jenen Menschen mit Behinderung am allgemeinen Arbeitsmarkt oder zur Absolvierung einer Ausbildung sicherzustellen, die zur selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Gestaltung ihres Arbeitslebens bzw. ihrer Ausbildung personale Unterstützung benötigen.
Für das Jahr 2004 werden € 3 Millionen vom Bund im Rahmen des Wirtschaftswachstumspakets bereit gestellt. Es besteht für Einzelne kein Rechtsanspruch auf Förderung durch dieses Programm. Bis jetzt nehmen ca. 150 Personen in ganz Österreich PAA in Anspruch.
Anspruchsberechtigung und Bedürfnisse
PAA wird derzeit für Frauen und Männer, die Pflegegeld ab der Stufe 5 (vgl. Best Practice Österreich 2) beziehen, bewilligt. Für PflegegeldbezieherInnen der Stufen 3 und 4 muss der Anspruch speziell begründet werden. Die Inanspruchnahme von PAA ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Beeinträchtigung am Arbeitsplatz durch technische Hilfsmittel nicht ausgeglichen werden kann.
Zur Tätigkeit von Persönlichen AssistentInnen am Arbeitsplatz zählen u.a.
Hingegen sind Unterstützungsleistungen inhaltlicher oder fachlicher Art bei der Erbringung der Arbeitsleistung oder bei der Absolvierung einer Ausbildung nicht der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz zurechenbar.
Für die Inanspruchnahme von PAA gibt es folgende Einschränkungen: PAA kann frühestens von Jugendlichen ab der 9. Schulstufe für Integration bei der Berufsausbildung in Anspruch genommen werden; es gibt keine zeitlichen Beschränkungen für die Assistenzleistung. Auch Personen mit Lern. bzw. psychischer Behinderung müssen mindestens Pflegegeld der Stufe 3 beziehen, um PAA in Anspruch nehmen zu können, was eher selten der Fall ist.
Zur Beurteilung der Unterstützungsbedürfnisse der AssistenznehmerInnen bzw. im Weiteren zur Begleitung des Prozesses der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz konstituiert sich eine Assistenzkonferenz. Der Assistenzkonferenz gehören VertreterInnen des zuständigen Bundessozialamts, des Landes und der Assistenzservicestelle an. Der Assistenzbedarf wird zuerst anhand der Erfahrungen der betroffenen Person bzw. der beratenden Assistenzservicestelle erhoben, er kann laufend angepasst werden. Im Zuge der ersten Erfahrungen, die im Jahr 2004 gesammelt werden, soll für die Beurteilung der Assistenzbedürfnisse ein gut administrierbares Schema erarbeitet werden.
Umfang und Rechenschaftspflicht
Durch die PAA sollen alle Assistenzbedürfnisse, die während Berufsausbildung, Studium oder Berufstätigkeit aufgrund einer Behinderung entstehen, abgedeckt werden.
Mit den Persönlichen AssistentInnen sind reguläre Arbeitsverträge abzuschließen. Die Entlohnung erfolgt nach dem Kollektivvertrag der Berufsvereinigung von Arbeitgebern für Gesundheits- und Sozialberufe (BAGS). Die Anstellung der AssistentInnen kann entweder durch die Assistenzservicestelle oder durch die AssistenznehmerInnen selbst erfolgen. In jedem Fall ist regelmäßig Bericht zu erstatten, die zweckmäßige Verwendung der ausgezahlten Mittel muss belegt werden.
Erbringen der Dienstleistung, Training und Unterstützung der KundInnen
PAA orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen der AssistenznehmerInnen und erfordert grundsätzlich keine spezifische Ausbildung. AssistenznehmerInnen können für die Organisation der PAA die Assistenz-Servicestelle in Anspruch nehmen. Es soll in jedem Bundesland eine Assistenz-Servicestelle eingerichtet werden, geeignete Träger sollen nach Möglichkeit im Kreis der Betroffenen gefunden werden. Die Assistenz-Servicestelle haben folgende zentrale Aufgaben:
Die AssistenznehmerInnen schulen ihre Persönlichen AssistentInnen selbst ein. Die Information über PAA erfolgt bislang über die Bundessozialämter und die SL-Initiativen, reicht aber bei Weitem nicht aus. Es ist grundsätzlich nicht sehr schwierig, Persönliche AssistentInnen zu finden.
Persönliche AssistentInnen dürfen keine medizinischen und hilfsmedizinischen Tätigkeiten durchführen.
Beurteilung
So weit aufgrund der kurzen Laufzeit eine Beurteilung möglich ist, können wir augrund der Erfahrungen der WAG folgende Vor- bzw. Nachteile für PAA anführen:
Die Richtlinien zur Förderungen der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz verankern in Österreich erstmals offiziell den Begriff „Persönliche Assistenz“. Zwar decken die Richtlinien nur einen Lebensbereich ab, aber innerhalb dessen beschreiben sie ein ganzheitliches und umfassendes Konzept von Persönlicher Assistenz, dem kein medizinisches sondern ein soziales, an Gleichstellung orientiertes Paradigma zugrunde liegt. Die Assistenzleistung erfolgt entsprechend den individuellen Bedürfnissen der AssistenznehmerInnen, sie ist unabhängig vom Einkommen und von der Ursache der Behinderung.
Sehr positiv beurteilen wir die Assistenzkonferenz, wobei wir für deren Umsetzung bei der WAG folgende spezielle Regelungen mit dem Fördergeber getroffen habe: die Assistenzkonferenz tritt viermal im Jahr zusammen, außerdem vertreten sich die AssistenznehmerInnen selbst und können bis zu zwei Vertrauenspersonen zuziehen. Die behinderten Frauen und Männer kommen so selbst zu Wort, sie sind gleichberechtigte PartnerInnen und erhalten Unterstützung durch die Assistenzservicestelle. Da diese Selbstvertretung in der Richtlinie nicht vorgesehen ist, versuchen wir sie hinein zu reklamieren.
Als problematisch zu beurteilen ist die Orientierung an der Pflegegeldeinstufung, durch die bei der Beurteilung der Anspruchsberechtigung das medizinische Paradigma zu große Bedeutung hat, viele Personen mit leichteren Behinderungen können deshalb möglicherweise nicht in den Genuss von PAA kommen. Dies gilt auch für Personen mit Lern- oder psychischer Behinderung bzw. für gehörlose Personen.
Ein großer Nachteil ist die sehr schlechte Bezahlung der Persönlichen AssistentInnen, sie erhalten einen Stundenlohn von weniger als € 7,42 brutto pro Stunde im Fall eines Anstellungsverhältnisses. Der Stundensatz muss unbedingt erhöht werden.
Jene AssistenznehmerInnen, die ihre AssistentInnen selbst anstellen und ohne Unterstützung einer Assistenzservicestelle organisieren wollen, erhalten keine finanziellen Ressourcen zur Abdeckung ihres administrativen Mehraufwands. Diese Erschwernis sollte durch eine Abgeltung der OH-Kosten beseitigt werden.
Bisher werden nur behinderte Personen unterstützt, die in Dienstverhältnissen eine Arbeitszeit von mindestens 20 Wochenstunden haben. Aber auch behinderte Personen, die weniger als 20 Wochenstunden arbeiten, sowie geringfügige oder atypische Beschäftigte bzw. Selbständige müssten PAA in Anspruch nehmen können. Dies entspricht nicht zuletzt der allgemeinen Flexibilisierung in der Arbeitswelt.
Die Richtlinie betont, dass vorrangig Organisationen behinderter Menschen mit der Einrichtung einer Assistenzservicestelle betraut werden sollen. Hier ist Selbstkritik angesagt, denn es zeigt sich in einigen Bundesländern Österreichs, dass es keine ausreichenden Strukturen der SL-Bewegung oder vergleichbarer Initiativen gibt, die in der Lage sind, Assistenzservicestellen einzurichten. Es gibt im Moment nicht genügend behinderte Menschen, die den Mut haben, durch die Leitung einer Assistenzservicestelle das Modell der Persönlichen Assistenz zu verbreiten und zu forcieren. Dabei ist es längst an der Zeit, dass wir aufhören zu jammern und unser Leben selbst in die Hand nehmen.
Identität
Mag. Dorothea Brozek, Geschäftsführerin der Wiener Assistenzgenossenschaft,
Assistenznehmerin
+43 (0)1 798 53 55
E-Mail: d.brozek@wag.or.at